Den meisten Menschen wurde George Soros bekannt als der Mann, der die Bank von England durch eine gigantische Währungsspekulation gegen das Pfund in die Knie zwang und damit Milliarden verdiente. Soros ist mehrfacher Milliardär und gehört zu den reichsten Menschen der Welt, zugleich ist er ein bekannter Wohltäter, der sich insbesondere für die Freiheit in Osteuropa engagiert hat. Schließlich ist er als einer der schärfsten Gegner von George W. Bush bekannt – und als Kritiker des Finanzkapitalismus, dem er seinen Reichtum verdankte.
„Ich wurde arm geboren, doch ich werde nicht arm sterben“ – diese Notiz hing über der Wand an seinem Arbeitsplatz. Das war George Soros‘ Credo. Doch, so zeigt sein Biograph, war es nicht Soros‘ wichtigstes Anliegen, als genialer Finanzinvestor anerkannt zu werden. Sein Leben lang wollte er eigentlich lieber Philosoph sein und lechzte geradezu nach Anerkennung als intellektueller Denker. Diese Anerkennung blieb ihm jedoch versagt, trotz zahlreicher Bücher, in denen er sich als Philosoph gerierte.
Er ist, das sagt er gerne von sich selbst, ein Kritiker – der höchstbezahlte Kritiker der Welt. „Ich beurteile die Prozesse. Ich bin kein Unternehmer, der Firmen aufbaut. Ich bin Investor, und meine Aufgabe ist es, die Unternehmen zu beurteilen. In der Finanzwelt spiele ich die Rolle des Kritikers und mein kritisches Urteil drückt sich in meiner Entscheidung zu kaufen oder zu verkaufen aus.“ (S.259).
Soros wuchs in Ungarn auf. Schon früh zeigte er Unternehmergeist und Initiative. Als er zehn Jahre alt war, gab er eine Zeitschrift namens Lupa Horshina, die Lupa-Trompete, heraus. Er schrieb alle Artikel selbst und verkaufte sie zwei Sommer lang für ein geringes Entgelt an die Familien auf der Lupa-Insel. In der Zeit der deutschen Besatzung versteckte sich Soros‘ mit seiner jüdischen Familie vor den Nationalsozialisten und entkam so dem Holocaust.
Im Herbst 1947, mit siebzehn Jahren, verließ er ganz allein sein Heimatland und schrieb sich zwei Jahre später an der London School of Economics ein, wo er unter anderem Karl Popper hörte, dessen Idee der „offenen Gesellschaft“ ihn sein Leben lang faszinierte. Er wollte Gesellschaftsphilosoph oder Journalist werden und der Welt wichtige Erkenntnisse vermitteln – „so wie Freud oder Einstein“.
Auch später, als Finanzinvestor, versuchte er immer, sein Handeln „philosophisch“ zu überhöhen. Doch: „George Soros‘ Theorien deckten nur einen Teil seiner Investmentgeheimnisse auf; sie erklärten lediglich, wie die Finanzmärkte seiner Meinung nach funktionierten… Die Theorie gab jedoch keine Hinweise darauf, wie George Soros an den Märkten agierte.“ (S.77).
Wahrscheinlich sind es eher bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die seinen Erfolg als Finanzinvestor erklären als seine Theorien. „Eine von Soros‘ nützlichsten Eigenschaften war die Fähigkeit, seine Gefühle von seiner Arbeit an den Märkten zu trennen.“ (S.78). Hatte er Unrecht, versuchte er nicht, dennoch Recht zu behalten, sondern räumte seinen Irrtum freimütig ein. Und er war mit seinen Spekulationen oft sehr mutig, mutiger als andere. „Soros Meinung nach machte man nicht dann den größten Fehler, wenn man zu dreist oder wagemutig war, sondern wenn man zu konservativ handelte. ‚Warum nur so wenig‘, war eine seiner liebsten Fragen.“ (S.79).
Soros‘ verbringt seine Zeit am liebsten mit „Denken, Lesen und Reflektieren“ (S.83). Zu einem Mitarbeiter sagte er einmal: „Byron, dein Problem ist, dass du jeden Tag zur Arbeit gehst und denkst, nur weil du tagein, tagaus ins Büro gehst, solltest du auch etwas tun. Ich gehe nicht jeden Tag zur Arbeit. Ich komme nur an den Tagen ins Büro, an denen das auch wirklich Sinn ergibt… Und an diesen Tagen bringe ich dann auch etwas zustande. Aber du gehst jeden Tag ins Büro und werkelst jeden Tag vor dich hin; und so bemerkst du gar nicht, wenn ein Tag einmal ganz besonders ist.“ (S.83).
Soros befasste sich auch immer wieder auch mit Immobilien. Die erste Branche, auf die sich Soros für seinen extrem erfolgreichen „Double Eagle Fund“ konzentrierte, waren REITs. „1969 untermauerte Soros seinen guten Ruf in der Finanzwelt, indem er in einem viel gelesenen Bericht die Vorzüge einer Kapitalanlage in ein neues Instrument namens Real Estate Investment Trusts herausstellte.“ (S.91) Auch Anfang der 90er Jahre interessierte er sich wieder für Immobilien. So gründete er 1993 zusammen mit Paul Reichmann einen 225 Mio. Dollar schweren Immobilienfonds, den Quantum Realty Fund. Bald kaufte er ein 634-Mio-Dollar Paket mit Immobilien unter Zwangsvollstreckung und verkündete, er wolle in Mexiko-Stadt Immobilienprojekte für 1,5 Mrd. USD errichten (S.217). Vier Monate, nachdem er den Fonds mit Reichmann in den USA gegründet hatte, rief er einen sogar noch größeren ins Leben, der als Instrument für Investitionen in britische Immobilien dienen sollte. Soros‘ Quantum Fund fusionierte mit British Land, und diesmal beabsichtigte Soros‘, 775 Mio. USD in Liegenschaften zu investieren.
Doch Soros war nie auf eine einzige Assetklasse fokussiert. Mal verdiente er eine Menge Geld mit Währungsspekulationen, dann mit Gold oder mit Immobilien. Anders als beispielsweise Warren Buffett waren und sind seine Investments niemals langfristiger Natur. Soros‘ gehört nicht zu den langfristigen Investoren, sondern zu denjenigen, die kurzfristig Ungleichgewichte im Finanzsystem ausnutzen.
Eine Gemeinsamkeit mit Buffett ist, dass seine Sympathien eher den Linksliberalen als den Konservativen gelten. Doch ist er in dieser Beziehung radikaler als Buffett. Mit großen Beträgen unterstützte er zahlreiche linke Gruppen in ihrem Kampf gegen George W. Bush. Vor allem jedoch setzte er schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs – und auch danach – hohe Beträge ein, um in Osteuropa den demokratischen Gedanken zu verbreiten und mit seinen Stiftungen für eine offene Gesellschaft zu kämpfen.
George Soros‘ Privatleben: Er sieht normalerweise nicht fern, weil er für so etwas keine Zeit hat. Er liest „vernünftige Sachen“ – „andere philosophische Werke wie etwa ein Buch über den Ursprung des Reichtums, das eine Komlexitätstheorie ist, solche Sachen, und gleichzeitig habe ich eine Biografie der Familie Bin Laden gelesen, ein sehr gutes Buch: also Biografien sind wohl meine Lieblingslektüre.“ Die britische Zeitung „Independent“ beschrieb Soros einmal so: „Er sieht zehn Jahre jünger aus als er tatsächlich ist, was vielleicht daran liegt, dass er fast schon zwanghaft Tennis spielt und an dem protzigen Lebensstil, den New York den Superreichen bietet, kein Interesse hat. Er trinkt und raucht nicht und seine kulinarischen Ansprüche sind bescheiden. Er hinterlässt den Eindruck eines ernsthaften, etwas unordentlichen mitteleuropäischen Professors.“ (S.27).