Soweit es mir meine Zeit erlaubte, habe ich in den letzten Jahren so ziemlich jedes Buch zur Finanzkrise verschlungen, das ich in die Finger bekam. Das mit großem Abstand beste Buch von allen ist dieses.
Es erzählt die Geschichte von John Paulson und anderen antizyklisch orientierten Investoren, die die Blase am amerikanischen Hausmarkt frühzeitig erkannten und es verstanden, aus dieser Erkenntnis eine Menge Geld zu machen. Im Falle von John Paulson waren dies 20 Mrd. USD – er persönlich hat dabei vier Mrd. USD verdient.
Der Verfasser des Buches, zwölf Jahre lang Reporter des Wall Street Journal und heute Kommentator für CNBC, versteht es meisterhaft, die komplexen finanzwirtschaftlichen Zusammenhänge, welche bis heute für 99,999% der Menschen (einschließlich der Politiker), die darüber reden, ein Buch mit sieben Siegeln sind, zu erklären. Zugleich schildert er den persönlichen Hintergrund und die Strategien von Paulson und von anderen Contrarians.
Dass die Hauspreis-Blase in den USA platzen werde, haben nicht Wenige vorausgesehen. Die Idee, dass man damit auch Geld verdienen könnte, hatte ebenfalls eine Reihe von Investoren. Es stellten sich jedoch in diesem Zusammenhang mehrere Probleme:
- Mit welchen Instrumenten sollte man auf ein Platzen der Hauspreisblase wetten?
- Wie sollte man die am besten geeigneten Investments auswählen?
- Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Einstieg?
- Wie soll man in einer Zeit, wo alle bullish gestimmt sind, genügend antizyklisch orientierte Investoren gewinnen?
Zunächst versuchte der Hedgefonds-Manager Paulson die Aktien von im Wohnungsbau engagierten Bauträgern zu shorten. Diese Strategie ging jedoch nicht auf. Er und andere Investoren suchten nach einer Möglichkeit, wie man direkter vom zu erwartenden Verfall der Hauspreise werde profitieren können.
Schließlich fiel ihre Wahl auf CDS-Kontrakte, mit denen Bündel von verbrieften, zweifelhaften Subprime-Krediten gegen einen Zahlungsausfall zu versichern waren. Die Prämien für diese CDS (credit-default swaps) waren lächerlich niedrig (1,2% der Versicherungssumme), da die meisten Marktteilnehmer nicht an einen Ausfall glaubten. Die Investoren, die die verbrieften Hypothekendarlehen kauften, verließen sich auf die Urteile der Ratingagenturen, denen wiederum Berechnungen der Ausfallwahrscheinlichkeiten zugrunde lagen. Paulson ließ sich jedoch nicht täuschen: Die Daten, die für künftige Ausfallwahrscheinlichkeiten herangezogen wurden, stammten aus der Vergangenheit, als erstens die Hauspreise immer nur gestiegen waren und zweitens der Anteil von subprime-Darlehen wesentlich geringer war. Deshalb, so seine Einsicht, sei es nicht statthaft, die aus der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse für die Zukunft zu extrapolieren.
Bekanntlich wurden die verbrieften Hypothekendarlehen später zusammen mit anderen vermeintlichen Cash-Flow-Bringern zu CDOs (collateralized debt obligations) gebündelt, gegen deren Zahlungsausfall ebenfalls CDS entwickelt wurden. Zudem gab es einige andere Möglichkeiten. „They’d even create a CDS insurance contract for an index that tracked a group of subprime mortgages, called the ABX, a sort of a Dow Jones Industrial Average for risky home mortgages.“ (S.87).
Interessant ist übrigens, dass einer derjenigen, der diese Möglichkeiten zuerst erkannte, ein Deutschbanker war, und zwar Greg Lippmann. Allerdings hatte er es bei seinen Kollegen schwer, die ihn für einen Spinner hielten. Und das trifft auch für einige andere Investoren zu, die in diesem Buch vorgestellt werden – so etwa Jeffrey Greene oder Michael Burry. Sie alle waren von der gleichen Idee gefesselt: Die Blase am US-Hausmarkt werde platzen und dies sei die Chance für ein Jahrhundert-Investment.
Paulson fiel es jedoch zunächst sehr schwer, Geld für diese Idee einzusammeln. Das ist logisch. Die meisten Investoren denken nun mal nicht anti-zyklisch (das wäre ja auch ein logischer Widerspruch in sich). Nachdem dennoch Investoren gefunden wurden, hatten die Fondsmanager ein weiteres Problem. Sie hatten gehofft, dass sich die Preise für die CDS-Kontrakte in dem Maße erhöhen würden, wie andere Marktteilnehmer ebenfalls das Risiko eines Ausfalls der verbrieften subprime-Kredite wahrnähmen. Es liegt jedoch ebenfalls in der Natur anti-zyklischer Investments, dass die Preise nach einem Kauf zunächst nicht steigen, sondern weiter fallen (schließlich wird es kaum jemandem gelingen, genau am Wendepunkt eines Hype short zu gehen). Also reagierten die Fondsanleger nervös. Die Hysterie am Hausmarkt steckte viele, die bis dahin nicht infiziert worden waren, später dennoch an und sie zweifelten angesichts fallender Preise für die CDS-Kontrakte an ihren Investments. Ja, sie zwangen die Fondsmanager teilweise sogar, ihre Positionen am tiefsten Punkt zu verkaufen, um damit vermeintlich Verluste zu begrenzen. Für einige Investoren war dies wirklich tragisch: Sie hatten die richtige Idee, hielten jedoch nicht durch und machten mit der gleichen Art von Geschäft einen Verlust, mit dem Paulson später 20 Mrd. USD verdienen sollte.
Paulson analysierte eingehend alle verbrieften Hauspreis-Kredite. Die Aufgabe seiner Analysten bestand darin, nicht die besten, sondern die schlechtesten Risiken zu identifizieren – die von den bullishen Marktteilnehmern systematisch ignoriert wurden. Sie verbrachten viel Zeit damit, jene lokalen Wohnungsmärkte zu identifizieren, wo die Hauspreisspekulation die irrationalsten Blüten getrieben hatte und jene Hypothekendarlehen ausfindig zu machen, die mit der geringsten Sorgfalt an die schlechtesten Kreditnehmer ausgereicht worden waren. Vorwiegend erwarben sie Versicherungen für den Ausfall von mit BBB gerateten Krediten, aber sie konnten es sich auch nicht verkneifen, Ausfallversicherungen für vermeintlich sichere AAA-Tranchen zu erwerben – einfach, weil diese so unverschämt billig waren.
Bei all dem setzten sie im Grunde nicht nur darauf, dass die Zahlungsströme wirklich komplett ausfallen und damit die CDS-„Versicherung“ fällig würde. Vielmehr erwarteten sie ein starkes Ansteigen der zu zahlenden Prämien für die Kreditausfallversicherungen, wenn die Immobilienpreise zurückgingen und auch den anderen Marktteilnehmern das in Wahrheit sehr viel höhere Ausfallrisiko bewusst werden würde.
Das Buch ist mehr als nur eine Historie über die Finanzkrise – und deren Gewinner. Es zeigt die Chancen, aber vor allem auch die spezifischen Probleme, mit denen anti-zyklisch orientierte Investoren konfrontiert werden. Wie überzeugt man in einer Phase der irrationalen Hysterie genügend Anleger, die bereit sind, gegen den Strom zu schwimmen? Wie hält man sie bei der Stange, auch wenn die Preise zunächst sinken? Wie geht man mit den eigenen Zweifeln um? Wie gelingt es, den richtigen Zeitpunkt für das Investment zu identifizieren?
Die zuletzt genannte Herausforderung war besonders schwierig. Paulson hatte jedoch analysiert, dass das ganze Subprime-System nur so lange werde funktionieren können, wie die Hauspreise steigen und die Darlehensnehmer somit in der Lage sind, ihre Immobilien immer wieder höher zu beleihen und damit zusätzliche Mittel freizusetzen. Es war somit klar, dass das System in dem Moment zum Stocken kommen würde, wenn die Hauspreise nicht mehr stiegen. Wie elektrisiert reagierten daher Paulson und seine Mitstreiter auf eine Pressemitteilung des amerikanischen Maklerverbandes, aus der ersichtlich wurde, dass die Hauspreise nur noch um 1% gestiegen seien. Jetzt war der Zeitpunkt für den großen Deal nahe – es sollte „the greatest trade ever“ werden, also das größte Geschäft, das je in der Menschheitsgeschichte gemacht wurde.