Um es vorweg zu sagen: Die Dissertation von Marcus Reinmuth empfehle ich jedem, der sich mit Unternehmenskommunikation befasst. Die Fragestellung ist aktueller denn je: „Wie kann ich als Unternehmen so kommunizieren, dass meine Kommunikation glaubwürdig wirkt und der Rezipient durch sie zu bestimmten Einstellungen und Handlungen bewegt wird, die auf dem Vertrauen fußen, welches er (auch) durch diese Kommunikation zu mir aufbauen konnte?“ (S. 12) Es ist schwierig, die 375 Seiten der theoretisch anspruchsvollen Dissertation hier zusammenzufassen. Dem Praktiker, der nicht viel Zeit zum Lesen hat, möchte ich jedoch empfehlen, wenigstens den fünften Abschnitt („Exkursive explorative Illustration der Wirksamkeit von Glaubwürdigkeitsindikatoren“, S. 299-325) zu lesen.
Hier berichtet der Sprachwissenschaftler über ein interessantes Experiment, das er für seine Dissertation durchgeführt hat: Er verfasste für einen Geschäftsbericht zwei unterschiedliche Briefe an die Aktionäre, die zwar beide den gleichen Inhalt hatten, sich jedoch sprachlich stark voneinander unterschieden. Die Texte wurden zwei Gruppen vorgelegt.
Die Probanden der einen Gruppe bekamen einen Text, der nicht die – von dem Wissenschaftler zuvor ermittelten – sprachlichen Indikatoren für glaubwürdige Kommunikation enthielt, und darüber hinaus sprachliche Merkmale beinhaltete, welche die Glaubwürdigkeit eher anzweifeln ließen. Dieser Text enthielt beispielsweise lange Sätze, Schachtelsätze, Passivkonstruktionen, Euphemismen und war in einem bürokratischen Stil verfasst. Der Text las sich beispielsweise so: „Durch die Optimierung der Abläufe der Marketing- und Vertriebsanstrengungen konnte, nachdem ein sich ändernder und für alle Marktteilnehmer immer schwerer werdender Markt festgestellt wurde und nachdem der Vorstand eine neue Marketingstrategie zum prominenten Projekt erklärt hatte, dieses Jahr ein deutliches Wachstum, unter Einbeziehung der im Vorjahr erst etablierten Märkte, erzielen.“ (S. 312) Die zweite Gruppe enthielt einen optimierten Text, der möglichst viele sprachliche „Glaubwürdigkeitsindikatoren“ enthielt. Vor allem war die Sprache nicht so umständlich, sondern sehr viel einfacher.
Den Teilnehmern des Experiments wurden die beiden Briefe dann mit folgender Erläuterung vorgelegt: „Stellen Sie sich vor, Sie möchten 50.000 Euro in die Aktien eines Unternehmens investieren. Dabei sind Sie auf den Geschäftsbericht der Solar AG gestoßen, deren Portfolio Sie interessiert. Allerdings sind Sie noch unentschlossen. Um mehr darüber zu erfahren, lesen Sie den Brief an die Aktionäre, der Ihnen einen ersten Eindruck vermitteln soll.“ (S. 317)
Fast alle Versuchsteilnehmer stimmten bei dem sprachlich optimierten Text der Aussage zu: „Der Kommunikator ist mir sympathisch“. Dagegen empfanden zwei Drittel der Versuchsteilnehmer, die den kompliziert und umständlich formulierten Aktionärsbrief gelesen hatten, den Kommunikator des Textes als unsympathisch. (S. 320 f.) Das Gesamtergebnis des Tests war eindeutig: „Die von uns als Glaubwürdigkeitsindikatoren bezeichneten Schlüsselphänomene Sympathie, Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit, Objektivität und Verständlichkeit werden nach der Lektüre des optimierten Textes stärker angenommen, als bei dem suboptimalen Text.“ (S. 323)
Die Ergebnisse des Tests leuchten ein. Denn auch in dieser Beziehung hat sich in unserem „Zeitalter der Skepsis“ einiges verändert: Wenn sich früher jemand kompliziert ausdrückte, dann zweifelten viele Menschen zunächst einmal an ihrer eigenen Sachkenntnis und sahen vielleicht sogar in der schwer verständlichen Ausdrucksweise eines Unternehmensvertreters ein Zeichen für dessen überlegenen Sachverstand als Experte. Heute ruft dagegen eine komplizierte Ausdrucksweise bei den meisten Menschen erst einmal Zweifel hervor: Was sie nicht unmittelbar verstehen, lehnen sie ab, da an die Stelle eines Vertrauensvorschusses eher eine Grundhaltung der Skepsis getreten ist.
Hier einige praktische Tipps, die der Verfasser der Dissertation gibt (S. 333 ff.):
- Selbst kleinste sprachliche Fehler (Rechtschreibung, Grammatik) lassen den Absender rasch inkompetent erscheinen, denn in der Unternehmenskommunikation sind die Rezipienten hier sehr anspruchsvoll.
- Vermeiden Sie nichts sagende Floskeln!
- Kommunizieren Sie Fehler und Versäumnisse offen!
- Erzählen Sie eine spannende Geschichte!
- Malen Sie Bilder mit Ihrer Sprache!
- Achten Sie auf die Qualität Ihrer Satzkonstruktionen!
- Wen der Rezipient nicht versteht, dem kann er auch nicht glauben. Nutzen Sie alle sprachlichen Möglichkeiten, Ihre Kommunikation möglichst verständlich zu gestalten (Satzbau, Wortwahl, Argumentation etc.)!
- Wenn ein Kommunikator Ihre beeinflussende Absicht zu sehr wahrnimmt, wird er sich von Ihrer Position zunächst distanzieren, wenn er nicht bereits vollkommen auf Sie eingeschworen ist.
- Glaubwürdigkeit spricht man am ehesten Personen zu. Treten Sie als Person auf oder identifizierten Sie sich zumindest sprachlich durch Selbstreferenzen mit Ihrem Unternehmen!
Diese Rezension wurde geschrieben von Dr. Rainer Zitelmann.