Einer der brillantesten Werbeleute des 20. Jahrhunderts, David Ogilvy, gab in seinem Buch „Bekenntnisse eines Werbemannes“ folgenden Ratschlag für die Formulierung von Anzeigen: „Wenn nicht ein besonderer Grund zur Feierlichkeit vorliegt, so schreiben Sie Ihre Texte in der Sprache, die Ihre Kunden im alltäglichen Leben sprechen.“
Leider vergessen das viele Unternehmen, die beispielsweise in ihrer Werbung englische Slogans verwenden, die von kaum jemandem verstanden werden. Selbst ein relativ einfacher Slogan wie „Feel the Difference“ (Ford), wird nur etwa von der Hälfte der Adressaten verstanden, während die andere Hälfte ihn beispielsweise so übersetzt: „Fühle das Differenzial“, „viel Differenzial“, „ziehe die Differenz ab“ (S.13).
Auch die Opel-Werbung „Explore the City Limits“ wurde von 62 Prozent der Befragten falsch übersetzt, und zwar beispielsweise mit: „Explosionen an der Stadtgrenze“, „Das Stadtlimit explodiert“, „Beachte die Stadtgrenze“ (S.18).
Der deutsche Energieversorger RWE warb mit dem Slogan „One Group. Multi Utilities“, bei dem nur acht Prozent der Befragten ahnten, was gemeint sein könnte. Übersetzungsversuche der Adressaten dieser Werbung lauteten: „Ohne Gruppe. Multi-Kulti“ oder „Eine Gruppe. Multi-Kulti“ oder „Viele Werkzeuge für eine Gruppe“ (S. 127).
Das sind leider keine Einzelbeispiele. Der Marketingexperte Bernd M. Samland hat seit dem Jahre 2003 regelmäßig über 3000 Menschen zu verschiedenen Werbesprüchen befragt – und die meisten englischen Slogans wurden von den (potenziellen) Kunden nicht verstanden. In seinem kürzlich erschienenen Buch mit dem schönen Titel „Übersetzt du noch oder verstehst du schon?“ bringt er eine Fülle ebenso amüsanter wie erschreckender Beispiele dafür, wie Werbeleute an den Kunden, die sie zu erreichen vorgeben, „vorbeischreiben“.
Viele Unternehmen fühlen sich auch besonders „aufgeklärt“, wenn sie sich von zeitgeistigen Werbeleuten einreden lassen, sie müssten sich besonders „nachhaltig“ und „ökologisch“ gerieren. Die französische Autofirma Renault warb beispielsweise in Deutschland mit dem Slogan „Drive the Change“. In einer Pressemitteilung im August 2010 erklärte das Unternehmen den Spruch so: „Das neue Markenclaim steht für die Visionen und Ziele von Renault, zukünftig noch mehr als heute erschwingliche und umweltfreundliche Fahrzeuge anzubieten, die die Belange der Umwelt berücksichtigen und die konsequent auf die Bedürfnisse des Menschen abgestimmt sind.“ Der Vorstandsvorsitzende der Renault Deutschland AG erläuterte: „Der neue Markenclaim ‚Drive the Change’ unterstreicht, dass Renault einen echten Bewusstseinswandel hin zu einem neuen Mobilitätsansatz vollzogen hat.“ Die meisten Adressaten verstanden den Slogan jedoch nicht und übersetzten ihn zum Beispiel mit „Wechsel den Fahrer“ oder „Fahre für Kleingeld/Wechselgeld“ (S. 28).
Der Autohersteller Mitsubishi warb seit 2008 weltweit mit dem Claim „drive@earth“, der den ebenso sinnlosen Claim „Drive alive“ (lebend fahren?) ablöste. Der Slogan soll laut Mitsubishi verdeutlichen, dass ein gesunder Planet wichtig ist und Mitsubishi Synergien zwischen technologischem Fortschritt und nachhaltigem Ressourceneinsatz sehe (S.32).
Die Schuhmarke Timberland wirbt in Deutschland mit dem Spruch „More Landscape, less lendfill“, was sinngemäß vielleicht mit „mehr Landschaft – weniger Müll“ übersetzt werden könnte. Bei einer Straßenbefragung des TV-Senders ProSieben im März 2010 konnte jedoch kein einziger Passant den Spruch übersetzen. Selbst die Leiterin einer Timberland-Filiale in Köln, an deren Schaufenster dieser Spruch in großen Lettern prangte, hatte keine Ahnung, was der Spruch bedeuten könnte (S.83).
Man mag die Werbeagenturen, die sich einen solchen Unsinn ausdenken, kritisieren, aber letztlich werden solche Slogans ja von den Managern der Unternehmen abgesegnet. Wie kommt es, dass sich so viele Manager von den vermeintlichen Marketingexperten ins Bockshorn jagen lassen? Das wäre ein Thema für eine interessante sozialpsychologische Studie – vielleicht eine Anregung für den Autor, ein weiteres Buch zu schreiben.
Das Buch ist unglaublich lustig, und ich empfehle es als Geschenk für Manager, die verlernt haben, die Sprache ihrer Kunden zu sprechen. Ich habe mir beim Lesen des Buches gedacht: Wer sich so wenig in seine Kunden hineinfühlen kann, der hat vielleicht nicht nur mit der Sprache ein Problem. R.Z.