Dieses Buch handelt von dem einem Prozent – genauer von den 0,1 oder den 0,01 Prozent – der reichsten Menschen dieses Planeten. Um es vorweg zu sagen: Es ist ein empfehlens- und lesenswertes Buch mit einer Fülle interessanter Beobachtungen und Fakten. Ich schreibe dies, obwohl ich die politischen Meinungen der Autorin nicht teile. Was sie beobachtet und recherchiert hat, ist fast ausnahmslos hochinteressant, aber ihre Bewertungen von einem politisch eher linken Standpunkt teile ich nicht. Wem es ebenso geht wie mir, der sollte bei der Lektüre einfach geistig davon abstrahieren.
2011 gab es 84.700 Ultra High Net Worth Individuals (UHNWIs) auf der Welt, also Personen mit einem Nettovermögen von mindestens 30 Mio. USD. 29.000 davon besaßen über 100 Mio. USD. (S. 53) 1.226 Milliardäre gab es im Jahre 2012 weltweit. (S. 143) Von diesen Personen – davon, wie sie reich geworden sind, was ihre Einstellungen sind, was sie verbindet – handelt das vorliegende Buch. Die Autorin hat intensiv recherchiert und „die neuen globalen Superreichen über zwei Jahrzehnte lang auf Schritt und Tritt begleitet“. (S. 19)
Wie sind die Superreichen reich geworden? Zunächst eine wichtige Feststellung: Sie sind überwiegend aus eigener Kraft reich geworden. Das Magazin Forbes klassifiziert 840 der 1226 Personen auf seiner Milliardärsliste von 2012 als Leute, die es aus eigener Kraft nach oben geschafft haben. (S. 62) Und: Im Unterschied zu den Reichen im 19. Jahrhundert, von denen viele nicht (mehr) gearbeitet hatten, arbeiten die heutigen Reichen überwiegend selbst und sehr aktiv. (S. 60) 1916 bezog das reichste Prozent der Amerikaner nur ein Fünftel seines Einkommens aus bezahlter Arbeit, 2004 hatte sich diese Zahl auf 60 Prozent verdreifacht. (S. 60 f.)
Die Autorin beklagt, dass in den entwickelten Ländern die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander gehe. Aber sie benennt auch die Ursachen, woran das liegt. „Globalisierung und technologischer Fortschritt haben dazu geführt, dass viele Berufe im Westen rasch veralteten; sie haben westliche Arbeiter in direkten Wettbewerb mit Niedriglöhnern in ärmeren Ländern gestellt; und sie haben allgemein jene bestraft, denen es an Klugheit, Ausbildung oder Glück mangelte, oder denen die Chuzpe fehlte, ihre Vorzüge zu ihrem Nutzen einzusetzen. Die Durchschnittslöhne stagnierten, während Maschinen und billige Arbeitskräfte in den Entwicklungsländern den Wert der Arbeit der Mittelklasse im Westen nach unten drückten.“ (S. 20)
Die Mitglieder der Klasse der „Superreichen“ seien, so räumt die Autorin ein, „hart arbeitende, hochgebildete, jetsettende Meritokraten, die das Gefühl haben, die verdienten Gewinner eines harten, weltweiten wirtschaftlichen Wettbewerbs zu sein – und die als Folge eine ambivalente Haltung gegenüber denjenigen unter uns haben, denen kein ganz so spektakulärer Erfolg beschieden war.“ (S. 20)
Vom Standpunkt eines weniger qualifizierten Arbeiters in einem entwickelten Land ist es verständlich, wenn er die zunehmende Spreizung zwischen Arm und Reich beklagt. Aber wie ist es, wenn man einen globalen Standpunkt einnimmt? Dann sieht die Sache ganz anders aus. Kritisch zitiert die Autorin die Meinung eines Reichen – die jedoch aus meiner Sicht durchaus bedenkenswert und nur schwer angreifbar ist: Wenn die Transformation der Weltwirtschaft vier Menschen in China und Indien aus der Armut in die Mittelklasse hebt und ein Amerikaner währenddessen aus der Mittelklasse heraus fällt, sei das doch gar kein schlechter Tausch. Eine ähnliche Meinung habe sie vom Finanzvorstand einer amerikanischen Technologiefirma gehört: „Wir fordern einen höheren Gehaltscheck als der Rest der Welt. Wer aber ein zehnfach höheres Gehalt will, der muss auch den zehnfachen Wert schaffen. Es klingt hart, aber vielleicht sollten sich die Leute in der Mittelschicht mit einer Gehaltskürzung abfinden.“ (S. 272) Oder, so könnte man hinzufügen, sie sollten das tun, was beispielsweise viele Menschen in Asien tun: Durch sehr intensive Bildungsbemühungen, Fortbildung und Weiterbildung, dafür sorgen, dass sie wieder Qualifikationen haben, die gebraucht und ordentlich bezahlt werden.
Wie gesagt: Die Autorin, die – von einem gemäßigt linken Standpunkt aus – die steigende Ungleichheit beklagt, teilt diese Sichtweise nicht. Aber die nüchterne Analyse zeigt ihr, dass die Hauptursache dafür eben die Globalisierung ist, bei der die sehr hochqualifizierten Top-Leute die Gewinner sind und die weniger Qualifizierten in den entwickelten Ländern eben oft die Verlierer.
Die größten Gewinner seien heute hoch qualifizierte Personen aus der Finanzindustrie, also Banker, Hedgefonds-Manager usw. 2012 waren auf der Forbes-Liste der 1.226 Milliardäre 77 Finanziers und 143 Investoren. Von den 40.000 Amerikanern mit einem investierbaren Vermögen von über 30 Mio. USD, den so genannten Ultra-HNWIs, waren 40 Prozent in der Finanzbranche tätig. Und von den 0,1 Prozent der Amerikaner, die 2004 an der Spitze der Einkommensverteilung standen, waren 18 Prozent Finanziers. (S. 143) Und ebenfalls 2004 verdienten im Vergleich zu den Vorständen börsennotierter Kapitalgesellschaften neunmal so viele Wall-Street-Finanzinvestoren über 100 Mio. USD. Die obersten fünf Hedgefonds-Manager verdienten zusammen genommen mehr als alle 500 Vorstände der im S&P 500 gelisteten Unternehmen insgesamt. (S. 143)
Diese Zahlen sind sicherlich korrekt, doch es handelt sich um eine Momentaufnahme auf der Höhe des Finanzbooms. Ich selbst habe große Zweifel, ob das in zehn Jahren genau so aussehen wird. Die Dominanz der Finanzindustrie ist aus meiner Sicht kein Phänomen, das dauerhaft in dieser Form bestehen bleiben wird.
In dem Buch wird die globale Superelite beschrieben, vor allem die Reichen aus den USA, Russland, Indien und China. Doch was verbindet diese wirklich, außer ihrem immensen Reichtum und der Vorliebe für bestimmte Hotels und Ferienorte? Die Autorin zeigt, dass viele reiche Inder und Russen durch die Privatisierung reich geworden sind – nicht selten durch Bestechung. „Wer sich bei diesem einmaligen Beutezug durch Einfluss die besten Stücke sicherte, war auf dem sichersten Weg in die globale Superelite.“ (S. 223) Übrigens eignet sich dieser Befund gerade nicht als Argument für eine antikapitalistische Systemkritik. Denn, so räumt auch die Autorin ein, „schließlich trug der Staat die Verantwortung für die Privatisierungen“. (S. 223)
Aber ist das rüde Verhalten eines am Rand oder offen im Bereich der Illegalität operierenden russischen Oligarchen gleichzusetzen mit dem genialen Erfinder- und Unternehmergeist von Milliardären wie Bill Gates, Steve Jobs, Michael Dell, Mark Zuckerberg, Larry Page, Jeff Beoz usw.? Und was haben diese genialen Unternehmer und Erfinder gemeinsam mit einem Funktionär der Kommunistischen Partei Chinas, der politische Macht in enormen Reichtum ummünzen könnte? Ich finde, außer der Tatsache, dass sie alle sehr reich sind, verbindet sie ziemlich wenig.
Zum Beispiel China: Die obersten 70 Mitglieder des Nationalen Volkskongresses in China hatten 2011 ihr Nettovermögen um insgesamt 11,5 Mrd. USD vermehrt, was ihr Gesamtvermögen auf 89,8 Mrd. USD erhöhte. Allein dieser Vermögenszuwachs der 70 bestverdienenden chinesischen Deputierten ist über 50 Prozent höher als der Gesamtnettoverdienst aller 660 Mitglieder der drei Organe der US-Bundesregierung, deren Nettovermögen 2011 7,5 Mrd. USD betrug. (S. 234) „In einem staatskapitalistischen System wie China ist das Geldverdienen durch Nähe zur Regierung keine Ausnahme von den Regeln oder ihre Verletzung: Es ist die Art, wie das System in Wirklichkeit funktioniert.“ (S. 237)
Die „Fähigkeiten“, die erforderlich sind, um in einem System wie in Russland oder China wirtschaftlich erfolgreich zu sein sind also ganz andere, als diejenigen, die man braucht, um in Ländern wie den USA oder Deutschland vermögend zu werden. Diese Unterschiede sind aus meiner Sicht sehr viel wichtiger als die Gemeinsamkeit, die überwiegend in einem bestimmten Kontostand liegt bzw. darin, ob man in einer der Forbes-Listen vertreten ist.
Fazit: Auch wenn man der Autorin in ihren politischen Bewertungen – so in ihrer Klage über die wachsende Ungleichheit – nicht zu folgen vermag, so kann und sollte man dieses Buch unbedingt lesen. R.Z.