Immer mehr Vermögende machen sich Sorgen über erhebliche Risiken, die sich etwa durch einen Finanzcrash oder durch eine Grün-rot-rote Bundesregierung ergeben können. Crashpropheten, die allerlei vermeintlich gute Rezepte anbieten, haben daher Konjunktur. Die Verfasser dieses Buches gehören nicht zu diesen Crashpropheten. Aber sie leugnen auch nicht mögliche Risiken, die sich insbesondere für reiche Menschen ergeben können. Wie man mit diesen Risiken umgeht, welche Lösungen untauglich sind und welche sinnvoll, das ist das Thema dieses Buches.
Das Buch gliedert sich in zwei Hauptteile: Der erste Teil ist von Gerd Kommer verfasst, einer der führenden deutschen Finanzexperten und sicherlich der beste Experte für das Thema ETFs. In diesem ersten Teil geht es vor allem um ein rationales Finanzmanagement und darum, den Leser für die großen Unterschiede zwischen den Phasen des Vermögensaufbaus und der Vermögenssicherung zu sensibilisieren. Im zweiten Teil, der von Olaf Gierhake verfasst ist, geht es vor allem um die Frage, wie durch eine Familienstiftung in Liechtenstein das Vermögen vor Risiken wie etwa einer Enteignung geschützt werden kann – und warum aus seiner Sicht diese Lösung besser ist als andere häufig propagierte Vermögensschutzmaßnahmen.
Das Buch richtet sich an Personen, die bereits ein substanzielles Vermögen aufgebaut haben. Ich habe bereits 2015 in meinem Buch „Reich werden und bleiben“ zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Fragestellungen unterschieden: Wie werde ich reich? Und wie behalte ich meinen Reichtum? Kommer hat meine Unterscheidung übernommen und unterscheidet klar zwischen der Reichwerdenphase (RW-Phase) und der Reichbleibenphase (RB-Phase). Er folgt auch meiner These, dass man – sieht man von Erbschaften ab – reich vor allem als Unternehmer wird, nicht etwa durch Aktienanlagen.
Unterschiede beim Reich werden und reich bleiben
Es ist eine der Stärken des Buches, das sehr klar zwischen diesen Phasen unterschieden wird, während die meisten Finanzratgeber diesen Unterschied bagatellisieren oder gar gänzlich ignorieren. Dabei sind die Gesetze des Reichwerdens und des Reichbleibens so verschieden, wie sie nicht verschiedener sein könnten.
Wer reich werden will, muss als Unternehmer Klumpenrisiken eingehen, denn ein Großteil seines Vermögens ist in der eigenen Firma gebunden. Wer reich bleiben will, muss dagegen Klumpenrisiken reduzieren. Wer reich werden will, arbeitet oft mit erheblichen Kredithebeln (Fremdfinanzierung der eigenen Firma oder von Immobilien), wer reich bleiben will, sollte Kredite möglichst zurückfahren.
Das von Kommer angesprochene mentale Problem wird oft unterschätzt: Menschen, die – meist als Unternehmer – reich geworden sind, haben sich an bestimmte Dinge gewöhnt, beispielsweise an hohe Renditen und hohe Risiken. Und es fällt ihnen schwer, radikal umzudenken. Sie sind reich geworden, weil sie hohe Risiken eingegangen sind und haben sich an sehr hohe Renditen gewöhnt. Es fällt ihnen psychologisch schwer, die vergleichsweise bescheidenen Renditen in der „Reich bleiben“-Phase zu akzeptieren.
Kommer spricht von „Finanzschizophrenie“: Viele Privatanleger in der Reich-bleiben-Phase würden zwar gähnend nicken, wenn ihnen jemand erzählt, dass hohe Renditen meist mit hohen Risiken einhergingen – und umgekehrt. „Aber tief in ihrem Inneren akzeptieren sie die darin enthaltene unbequeme Wahrheit trotzdem nicht. Täten sie es, würden sie in der Reich-bleiben-Phase anders anlegen. Das zeigt sich beispielsweise an ihrer irrationalen Aversion gegen risikoarme, renditelose Anlagen und an ihrer Toleranz oftmals enormer Klumpenrisiken, beispielsweise dem Klumpenrisiko der eigenen Firma.“
Kommer räumt mit vielen Finanzlegenden auf
Es gibt wohl nur wenige Themen, bei denen so viel Unwissen und Halbwissen als Wissen verkauft werden wie beim Thema Finanzen. Eine der Stärken von Kommer ist, dass er immer wieder mit größter Freude solche Legenden zerstört und die Substanzlosigkeit von vielen verbreiteten Finanz-„Weisheiten“ entlarvt. Hier nur einige Beispiele:
Viele Anleger parken lieber Geld auf dem Bankkonto als in kurzlaufenden Staatsanleihen von Staaten mit bestem Bonitätsrating. Die Begründung, dass man es nicht übers Herz bringe, sein Geld mit Negativzinsen „anzulegen“, ist aus mehreren Gründen irrational. Schaut man nicht auf die Nominal-, sondern auf die Realzinsen, dann sind Nullzinsen oder Negativzinsen von Staatsanleihen von Ländern mit bester Bonität eher die Regel als die Ausnahme, wie Kommer in mehreren Aufsätzen anhand von langen Datenreihen belegt hat. Das Geld nur deshalb nicht dem Staat, sondern der Bank zu leihen, weil man dort vielleicht 0,5% mehr Zinsen bekommt, ist angesichts des (von vielen Anlegern unterschätzten) Risikos einer Bankpleite irrational. Die Hoffnung, der Staat werde die Bank schon retten, mag begründet sein, das heißt aber nicht, dass auch der Multimillionär, der leichtsinnigerweise mehrere Millionen Euro auf dem Bankkonto liegen hat, mit gerettet wird.
Kommer zeigt, dass auch die Empfehlung, aus Angst vor Großrisiken wie einem Finanzcrash oder Enteignungen, Geld in Immobilien anzulegen, nicht rational ist. Wer behauptet, Immobilien schützten vor einer Hyperinflation, kennt die deutsche Geschichte nicht. Damit Immobilieneigentümer keine „Inflationsgewinner“ werden, wurde von 1924 bis 1943 eine „Hauszinssteuer“ erhoben, die je nach Reichsland bis zu 40% betrug. Wobei diese Steuer nicht auf den Überschuss der Mieten über die Ausgaben erhoben wurde, sondern auf die Bruttomiete.
Wer sich vor politischen Ereignissen wie etwa einer Enteignung fürchtet, sollte gerade bei Immobilien vorsichtig sein, warnt Kommer zu Recht. Da Immobilien immobil sind, sind sie bevorzugtes Zielobjekt von Enteignungen – wie zuletzt die aktuelle Debatte in Berlin zeigt. Der Staat kennt alle Immobilien und deren Besitzer, und er sieht es als großen Vorteil, dass Immobilien – anders als liquide Wertpapiere – nicht in Sekunden ins Ausland transferiert werden können. Daher begannen in der Geschichte große Enteignungswellen oft mit der Enteignung von Grund und Boden und Immobilieneigentum.
Was schützt vor Risiken?
Olaf Gierhake zeigt, dass manche „Rezepte“, um sich vor Risiken zu schützen, untauglich sind oder mit Nachteilen verbunden sind, die die meisten Anleger ignorieren. Verlagerung von Vermögen ins Ausland oder die Eröffnung von Konten im Ausland hilft wenig gegen befürchtete Risiken, da das Welteinkommensprinzip gilt. Natürlich würde eine Vermögensteuer nicht nur auf in Deutschland belegene Immobilien oder Bankkonten erhoben, sondern auch auf solche im Ausland. Auswandern kann eine Lösung sein, aber auch dann gilt weiterhin, dass beispielsweise Immobilien laut Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Belegenheitsprinzip besteuert werden. Also selbst dann, wenn ich auswandere oder sogar die deutsche Staatsbürgerschaft aufgebe, werden weiterhin die Mietüberschüsse – und im Fall der Wiedereinführung einer Vermögensteuer auch der Wert der Immobilie – in Deutschland besteuert.
Gierhake empfiehlt als beste – und aus seiner Sicht einzig wirklich praktikable – Lösung eine Liechtensteiner Familienstiftung, auf die die Vermögenswerte übertragen werden. Nur damit könne das Eigentum vor Enteignung geschützt werden, und zwar deshalb, weil es nach Übertragung auf die Stiftung eben nicht mehr dem Eigentümer gehört. Dass Stiftungen und damit das Stiftungsvermögen nicht dem Stifter oder den Begünstigten gehören, ist aus der Perspektive einer in Deutschland leben vermögenden Person in haftungsrechtlicher und steuerlicher Sicht der entscheidende Vorteil. Gierhake, der Geschäftsführer einer Liechtensteiner Gesellschaft ist, stellt die Vorteile sehr ausführlich dar, aber – und dies ist kritisch anzumerken – der entscheidende Nachteil wird nicht in gleicher Ausführlichkeit herausgearbeitet und diskutiert. Denn wenn ich mein Vermögen auf eine solche Stiftung übertrage, löst dies eine immens hohe deutsche Schenkungsteuer aus. Das wird zwar in dem Buch nicht verschwiegen, geht aber neben den vielen Vorteilen, die extensiv und mit großer Beredsamkeit dargestellt werden, unter. Die Frage lautet doch: Bin ich wirklich bereit, hier und heute eine extrem hohe Steuerlast in Kauf zu nehmen, um mich davor zu schützen, dass mich z.B. im Fall einer grün-rot-roten Regierung eine (vielleicht?) noch größere Steuerlast trifft?
Andere Lösungen, wie etwa die der zweiten Staatsbürgerschaft, die man präventiv zusätzlich zur deutschen beantragt, um im Worst Case eine Rückfallmöglichkeit zu haben und die deutsche Staatsbürgerschaft aufzugeben, werden nur sehr kurz diskutiert, und die Nachteile werden stark betont, um dann zur Ideallösung der Liechtensteiner Stiftung zu führen.
Eine Kombination mehrerer Maßnahmen könnte indes sinnvoll sein, wenn man alle Szenarien durchspielt: Wer Konten und Immobilien im Ausland hat und sein deutsches Immobilienengagement aus Vorsichtsgründen reduziert und dann präventiv eine zweite Staatsbürgerschaft beantragt, könnte im Worst Case die deutsche Staatsbürgerschaft zurückgeben (wenn Deutschland beispielsweise dem Beispiel der USA folgen würde und die Steuerpflicht nicht mehr an den Wohnsitz, sondern an die Staatsangehörigkeit knüpft). Das Problem in diesem Fall ist jedoch, dass man die Staatsbürgerschaften, die leicht zu bekommen sind, in der Regel nicht als alleinige haben will (Zypern) und dass diejenigen, die attraktiv sind (z.B. die der Schweiz oder von Großbritannien) erst nach Ablauf von vielen, vielen Jahren zu bekommen sind. Eine ausführlichere Diskussion dieser Aspekte und eine nicht ausschließlich auf eine einzige Lösung hin argumentierende Darstellung, hätten Ausgewogenheit und Wert dieses wichtigen Buches noch erhöht.
Pflichtlektüre für jeden Vermögenden
Diese kritische Anmerkung bezieht sich jedoch nur auf den zweiten Teil des Buches. Der erste von Gerd Kommer geschriebene Teil enthält so viele wichtige Einsichten und zerstört so viele Legenden, dass man nicht einmal ansatzweise alles hier aufzählen kann. Ärgern werden sich mit Sicherheit alle Vertreter von aktiv gemanagten Fonds oder solche, die Einzelaktienanlagen propagieren. Auch Immobilienfans haben an vielen Argumenten von Kommer zu knabbern, und Bitcoin-Jünger werden sich auch ärgern. Kommers Argumente sind jedoch stets sehr gut empirisch begründet. Sie gelten vor allem für den Aktienbereich, wo die Last der Beweise, die zeigen, dass ETFs besser sind als Einzelaktienanlagen oder aktiv gemanagte Fonds, erdrückend ist.
Kommer betont wiederholt, dass hohe Renditen mit hohen Risiken verbunden sind – und es illusionär sei, beides zugleich zu wollen. In der Tat gilt dies als eines der fundamentalen Gesetze der Finanzökonomie. Meine Erfahrung mit Immobilienanlagen bestätigt diesen Zusammenhang indes nicht: Immobilien mit niedrigen Renditen, die demgemäß als risikoarm wahrgenommen wurden, waren in der Vergangenheit nicht selten besonders riskant (wie etwa die Investitionen vieler offener und geschlossener Immobilienfonds belegen), während es mir umgekehrt immer wieder gelang, Immobilien mit sehr hohen Renditen zu erwerben, die genau deshalb auch ein niedrigeres Risiko bedeuteten: So habe ich die meisten Immobilien zum 8-12-fachen gekauft, was nicht nur eine sehr hohe Mietrendite bedeutete, sondern einen extrem hohen Risikopuffer. Weder das eine noch das andere ist gegeben, wenn jemand heute eine vermeintlich sichere „Core-Immobilie“ zum 33fachen kauft. Da der Immobilienmarkt in manchen Segmenten weitaus weniger transparent und liquide war als beispielsweise der internationale Aktienmarkt, sind nicht alle Zusammenhänge, die im Aktienbereich gelten, 1:1 auf den Immobilienmarkt übertragbar.
Auch der von Kommer betonte Zusammenhang, dass man entweder hohe Wertsteigerungen oder hohe Ausschüttungsrenditen erwarten könne, aber nie beides zugleich, klingt logisch und ist durch viele Untersuchungen gut begründet: Für alle meine Immobilieninvestments, bei denen sehr hohe Ausschüttungen mit sehr hohen Wertsteigerungen verbunden waren, galt dies nicht. Ich denke, dass sich subjektiv wahrgenommene und objektiv vorhandene Risiken oftmals nicht decken. Ein Asset mit geringen Risiken und geringer Rendite zu kaufen, ist ebenso wenig eine Kunst wie ein Asset mit hohen Risiken und hoher Rendite zu kaufen. Die Kunst liegt jedoch, wie der legendäre Investor Sam Zell mal gesagt hat, gerade darin, zu investieren, wenn hohen Chancen nur geringe Risiken gegenüberstehen. Solche Investments sind zugegebenermaßen sehr, sehr rar und bestehen meist nur in bestimmten Zeitfenstern – aber unmöglich sind sie nicht.
Kommer hat jedoch mit seiner Skepsis gegenüber Immobilienanlagen insbesondere mit Blick auf die Fragestellung des Buches Recht. Er zeigt überzeugend, dass alle von Crashpropheten propagierten Lösungsansätze ziemlich naiv sind. Oft führen sie sogar direkt in die Irre, so wenn z.B. einseitig Gold und Immobilien als bester Schutz vor Megarisiken propagiert werden. Kaum eine Behauptung ist zu dumm, als dass sie nicht ständig wiederholt würde – wie Kommer an vielen Beispielen zeigt. So heißt es beispielsweise oft, „Sachwerte“ wie Immobilien oder Gold hätten sogar eine Megakrise wie den Zweiten Weltkrieg vergleichsweise gut überstanden. Das mutet absurd an, wenn man bedenkt, dass Goldbesitz von 1923 bis 1955 verboten war und im Dritten Reich sogar mit dem Tod bestraft werden konnte, und dass ein großer Teil der gewerblichen und wohnwirtschaftlichen Immobilien während des Zweiten Weltkrieges zerstört oder beschädigt wurde (in Berlin über 70%) und danach in der DDR und den vormals deutschen Ostgebieten nahezu ausnahmslos enteignet wurden. Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre für jeden Vermögenden. Wer mehrfacher Millionär ist und dieses Buch nicht liest, handelt fahrlässig.