Die Autorin dieses Buches, Soziologin an der London School of Economics, forscht seit Jahren als international anerkannte Expertin für Frauen in der Arbeitswelt sowie Familien- und Sozialpolitik. Ihr Buch vereint die Vorzüge einer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Charme einer Streitschrift, die eine klare und prononcierte These vertritt.
Während wir akzeptieren, dass Intelligenz, Bildung, Beziehungen und Geld maßgeblichen Einfluss auf die gesellschaftlichen und beruflichen Chancen eines Menschen haben, wird überwiegend nicht akzeptiert, dass das Aussehen und die erotische Ausstrahlung ebenso einen erheblichen Einfluss haben. Dabei, so zeigt die Autorin anhand zahlreicher Forschungsergebnisse, ist beispielsweise nachgewiesen, dass Männer, die besser aussehen, im Durchschnitt beruflich erfolgreicher sind und etwa 20 Prozent mehr verdienen als Männer, die weniger gut aussehen. Ihre Eingangsgehälter sind höher und sie werden schneller befördert. Bei Frauen gibt es diesen Zusammenhang auch, allerdings ist er deutlich weniger ausgeprägt.
Und genau hier setzt die Kritik der Autorin ein, die sich dezidiert für die Belange von Frauen einsetzt. Frauen sei es durch zahlreiche gesellschaftliche Tabus und Vorurteile verwehrt, ihr „erotisches Kapital“ legitim gewinnbringend einzusetzen. Besonders in angelsächsischen Ländern gelte dies als verpönt.
Was versteht die Autorin unter „erotischem Kapital“? Schönheit und sexuelle Attraktivität eines Menschen sind zentrale Komponenten. Erotisches Kapital sei jedoch mehr als nur Schönheit und Sex Appeal, sondern umfasse auch Anmut, Charme, die Fähigkeit zu sozialem Austausch, die Vitalität und körperliche Fitness, die soziale Präsentation und Kleidung sowie schließlich die sexuelle Kompetenz.
Das erotische Kapital sei eine „vierte Kapitalform“, die im Unterschied zu dem ökonomischen Kapital (Geld, Besitz), dem kulturellen Kapital (Bildung etc.) sowie dem sozialen Kapital (Beziehungen etc.) bislang zu wenig beachtet werde. Und wenn es beachtet werde, dann meist in einem negativen Kontext: Schönheit und Attraktivität würden, insbesondere von feministischen Autorinnen (aber nicht nur von diesen), als oberflächliche Attribute denunziert, die in einer idealen Welt am besten gar keine Rolle spielen sollten.
„Alle nationalen und groß angelegten Studien zu den Auswirkungen physischer und sozialer Attraktivität sind in angelsächsischen Ländern unternommen worden. Gemeinsames Merkmal der zugehörigen Forschungsberichte – seien sie nun von Ökonomen, Soziologen oder Psychologen verfasst – ist die große Sorge, die aus ihnen spricht. Es geht um Diskriminierung, Stereotypisierung und Voreingenommenheit.“ (S. 248) Mir ging dabei der Gedanke durch den Kopf: Ebenso, wie Menschen, die kein Geld haben, verständlicher Weise der Meinung sind, Geld solle am besten gar keine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben spielen und sich darüber ärgern, dass diejenigen, die Geld haben, zahlreiche Privilegien genießen, so ärgern sich natürlich auch weniger gut aussehende Menschen darüber, wenn das Äußere eine wichtige Rolle spielt und es schöne Menschen im Leben vielfach einfacher haben.
Die Autorin wehrt sich gegen die Sichtweise, wonach nur jenen Frauen, die wissenschaftliche Bildung erlangten, gesellschaftliche und berufliche Vorteil zugebilligt werden. Dabei könne ein Mensch beispielsweise für seine Intelligenz und Bildung ebenso viel oder wenig wie für sein Aussehen: In beiden Fällen sei ein gewisser Grundstock angeboren und ein anderer später erworben.
Es sei durchaus rational, wenn Frauen sehr stark auf ihr Äußeres achten – sehr viel stärker als Männer – und damit beispielsweise ihren Wert am „Heiratsmarkt“ erheblich steigerten. Wenn Frauen ihre Schönheit einsetzten, um sich einen erfolgreichen Mann zu angeln, dann sei dies absolut nicht illegitim. Auch sei es legitim, wenn Frauen ihr Aussehen einsetzten, um für sexuelle Dienstleistungen Geld zu fordern. Die Autorin kritisiert, dass sowohl die traditionelle Männergesellschaft als auch die Feministinnen Frauen dieses Recht aberkennen wollten.
Anhand zahlreicher wissenschaftlicher internationaler Studien belegt die Autorin, dass die heute teilweise vertretene Ansicht, Frauen und Männer hätten gleich viel Lust auf Sex, abwegig sei. Insbesondere für Frauen und Männer über 30 gebe es erhebliche, sehr ausgeprägte Unterschiede im sexuellen Verlangen. Männer hätten ein permanentes „Sexdefizit“, ob sie nun verheiratet seien oder nicht. Und – so ihr Plädoyer – diese Tatsachen sollten sich Frauen noch sehr viel stärker zunutze machen als sie dies heute täten.
Die Soziologin Catherine Hakim hat sichtlich Freude daran, bestehende Konventionen und allgemein anerkannte Werte in Frage zu stellen und Tabus zu brechen. Sie tut dies in einer sehr überzeugenden Weise und zieht zahlreiche empirische Studien heran, die ihre Thesen belegen. Ein überraschendes, provozierendes Buch, das eine neue Sicht auf die Beziehung zwischen den Geschlechtern bietet.