Was kann es Wichtigeres geben, als die Frage, wodurch wir im Leben glücklich werden? Damit befasst sich eine ganze wissenschaftliche Forschungsrichtung, die sogenannte „Glücksforschung“. Um die Glücksforschung im Allgemeinen sowie um die Frage, welchen Zusammenhang es zwischen der Höhe des Einkommens und dem Lebensglück gibt, geht es in diesem sehr lesenswerten Buch.
Jeder kennt den Spruch „Geld allein macht nicht glücklich“. Eigentlich ist das eine Banalität, genau wie etwa die Feststellung „Sex allein macht nicht glücklich“. Außer für einige Asketen wäre ein Leben ohne Sex und ohne Geld dennoch nicht so schön.
Der gesunde Menschenverstand sagt, dass die meisten Menschen lieber mehr als weniger Geld haben, und zwar einfach deshalb, weil man mit mehr Geld aus einer größeren Fülle von Gütern und Dienstleistungen auswählen kann. Mit einem höheren Einkommen kann man Dinge auf der Hitliste erreichen, die weiter oben stehen und die bisher nicht erreicht werden konnten, weil man sie nicht bezahlen konnte. Und, so möchte ich gerne hinzufügen, mit mehr Geld kann auch der Freiheitsgrad für einen Menschen steigen.
„Beobachten wir nicht, dass Menschen sehr viel dafür tun, um ihr Einkommen zu steigern? Gewerkschaften rufen Streiks aus, Rentner gehen auf die Straße, Manager aller Hierarchiestufen arbeiten bis zum Umfallen, Arbeiter stehen stundenlang am Fließband und die Köche bei McDonalds braten für sieben Euro fünfzig acht Stunden am Stück Hamburger. Alles nur, um an Geld zu kommen.“ (S. 14) Dennoch gilt es seit längerem als gesicherter Befund in der sogenannten Glücksforschung, das Geld doch nicht glücklich macht.
Zuerst wurde die These 1974 von dem Wissenschaftler Richard Easterlin vertreten. Auf der Basis von Befragungen kam er zu dem Ergebnis, dass nicht das absolute Einkommensniveau wichtig dafür sei, ob ein Mensch glücklich sei oder nicht, sondern dass die relative Position in der Gesellschaft Ausschlag gebend sei, also ob man mehr oder weniger besitze als die anderen. (S. 25) Zumindest gelte das weltweit ab einem Einkommensniveau von 15.000 Dollar im Jahr – d.h. ausgenommen wurden hier die ganz Armen, bei denen es auf der Hand liegt, dass eine Steigerung des Einkommens erheblichen Einfluss auf ihre Lebenszufriedenheit hat.
Ziel des vorliegenden wissenschaftlichen Buches ist es, die Methoden, mit denen Easterlin und andere Wissenschaftler zu diesem Ergebnis gekommen sind, in Frage zu stellen. Die Sache ist nämlich komplizierter, als man auf den ersten Blick denkt – so ist zwischen dem affektiven und dem kognitiven Glücksempfinden zu unterscheiden. Traditionell misst die Glücksforschung das kognitive Glücksempfinden der Menschen, indem man sie selbst nach ihrem Befinden fragt, und zwar mit folgender Frage: „Wir möchten Sie nach Ihrer Zufriedenheit mit Ihrem Leben insgesamt fragen. Antworten Sie bitte anhand der folgenden Skala, bei der 0 ganz und gar unzufrieden und 10 ganz und gar zufrieden bedeutet. Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben?“ Hiermit, so die Autoren, werde die allgemeine Lebenszufriedenheit gemessen, nicht jedoch das „affektive Glück“, also die Ansammlung und die Dauer von glücklichen Momenten an einem Tag oder in einem Monat. Letzteres wird durch das Geld, das man besitzt, nicht messbar beeinflusst, während die Lebenszufriedenheit laut neueren Untersuchungen – anders als Easterlin dies nahelegte – durchaus mit dem Einkommen stark korreliert.
Wer mehr Einkommen hat, ist zufriedener. Ja, mehr noch: „Es zeigt sich, dass arme Menschen erheblich stärker unter negativen Lebensumständen wie beispielsweise einer Krankheit, einer Scheidung oder Einsamkeit, leiden als reichere.“ (S. 114) Das ist, so finde ich, ein ganz besonders wichtiger Befund, weil er zeigt, dass das Einkommen bzw. Vermögen auch Ausstrahlung auf andere Lebensbereiche hat.
Die Autoren zeigen, dass die Datensätze und die Untersuchungsmethoden die Easterlin auf Basis des World Value Surveys verwandte, sehr anfechtbar sind. Nicht nur das allgemeine Ergebnis, dass das Einkommensniveau für die Lebenszufriedenheit der Menschen nicht relevant sei, verwundert, sondern auch viele Einzelergebnisse. So ergaben die Studien beispielsweise, dass außer den Dänen kein Volk auf der Welt so glücklich sei wie die Kolumbianer, obwohl doch das Land von Drogenkartellen terrorisiert wird, die Landbevölkerung unter erbärmlichen Lebensbedingungen lebt und die Kriminalität dort extrem hoch ist. Die Studie hatte jedoch große methodische Schwächen. So wurden etwa in den ärmeren Ländern überwiegend die gebildeten Menschen aus den Großstädten befragt, was natürlich die Ergebnisse verzerrte.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Methoden, die zu dem Ergebnis führten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenszufriedenheit aus der Sicht der moderneren Forschung durchaus anfechtbar und so nicht aufrechtzuerhalten sind.
In dem Buch geht es nicht nur um den Zusammenhang von Einkommen und Glück. Es werden auch zahlreiche weitere Ergebnisse der Glücksforschung referiert, so z. B.
- Ehe: Zu dem Zeitpunkt, an dem die Menschen heiraten, erleben sie eine Art Glücksgipfel. Kurz nach der Hochzeit sind sie am glücklichsten. Danach sinkt die Lebenszufriedenheit jedoch wieder ab und kehrt langfristig auf das Vor-Ehe-Niveau zurück. (S. 47)
- Alter: Junge Menschen sind glücklich, aber je erwachsener sie werden, umso mehr sinkt die Lebenszufriedenheit. Der Tiefpunkt ist etwa mit 55 Jahren erreicht, aber danach geht es wieder aufwärts. Und mit 70 sind die Menschen im Durchschnitt wieder so zufrieden, wie sie es mit 20 schon einmal waren. (S. 42)
- Kinder: Menschen, die Kinder haben, sind nicht glücklicher als jene, die kinderlos geblieben sind. Das gilt jedenfalls, solange die Kinder im eigenen Haus wohnen. Erst wenn sie das Haus verlassen, dann sind die Eltern der erwachsen gewordenen Kinder glücklicher als jene, die im Alter allein sind. (S. 49 f.)
- Arbeitslosigkeit: Auch wenn man den durch Arbeitslosigkeit erlittenen Einkommensverlust herausrechnet, sind Arbeitslose deutlicher unglücklicher als solche, die Arbeit haben. Arbeit zu haben hat also über die Einkommenserzielung hinaus einen Wert an sich. (S. 68) Schlimmer noch als Arbeitslosigkeit ist allerdings die Angst davor: Menschen die sehr unsicher sind, ob sie arbeitslos werden, sind unglücklicher als dann, wenn sie wirklich arbeitslos geworden sind. (S. 69)
- Schicksalsschläge: Einer der schlimmsten Schicksalsschläge, die uns treffen kann, ist der Tod des Partners. Bei Frauen steigt nach dem Tod des Partners die Selbstmordrate um das 20fache, bei Männern sogar um das 70fache. Dass Männer sich sehr viel schwerer tun als Frauen, einen solchen Schicksalsschlag zu verkraften, zeigt auch die Lebenszufriedenheitsforschung. Männer erreichen ihre frühere durchschnittliche Lebenszufriedenheit erst vier Jahre nach dem Tod des Partners wieder, Frauen bereits nach zwei Jahren. (S. 52)
Das Besondere an diesem Buch: Obwohl es sich um ein wissenschaftliches Werk mit vielen Zahlen, methodischen Erörterungen und Forschungskontroversen handelt, ist es ungemein gut und einfach geschrieben, so dass es auch ein Laie gut verstehen kann, gerne liest und viel dabei lernt. R.Z.